Sonntag, Februar 05, 2006

Die unpersönliche Intimität der Liebe


Die Sufis beschrieben treffend die Liebe zu ihrem Meister und die Reise des Suchenden zu Gott: Die spirituelle Reise ist das Bewusstwerden der Beziehung des Herzens mit Gott. Es ist dies die intimste Beziehung, die wir überhaupt erfahren können. Sie vollzieht sich in der innersten Kammer unseres Wesens und umfasst in Augenblicken von Ekstase alle Zellen des Körpers.

Zugleich aber ist die Liebesbeziehung des Herzens zum geliebten Gott eine völlig unpersönliche Beziehung, weil sie nicht in die Ebene der Persönlichkeit angehört. Ähnlich ist die reinste Liebe zwischen Menschen zugleich losgelöst von persönlichen Bindungen und Verhaftungen.

Im Westen sind wir gewohnt, dass eine Beziehung umso persönlicher wird, je intimer sie ist. Dies mag bei menschlichen Beziehungen wahr scheinen, doch spirituell gesehen kann wahre Intimität nur auf der Ebene der Seele erfahren werden. Dort sind wir nicht in den Begrenzungen der Dualität und der Trennung gefangen, sondern erfahren ein Aufgehen und Verschmelzen des Herzens, in dem keine Dualität, sondern immer tiefer dringendes Einssein existiert.

aus: L. Vaughan-Lee, Transformation des Herzens